Schon heute hat der Verkehr einen Anteil von einem Viertel an den Treibhausgasemissionen, Tendenz steigend. Der Verkehr ist der Sektor, der bisher am wenigsten zur Minderung der klimarelevanten CO2-Emissionen beiträgt. Nehmen wir das Ziel ernst, die durchschnittliche Temperatur auf der Erde nicht stärker als 2 Grad steigen lassen zu wollen, muss der Verkehr in den nächsten Jahrzehnten seine Energiebasis wechseln. Auch wenn es derzeit gar nicht so aussieht: der Megatrend im Verkehr heißt Dekarbonisierung. Und die entscheidende Frage lautet: Wie kann oder muss eine Transformation des Verkehrs in eine postfossile Zukunft aussehen?
Wenn es ein „weiter-so“ weder in der expansiven Motorisierung noch in der Dominanz des Universalautokonzeptes geben kann, bedeutet die Zukunft des Autos: neue Antriebe, kleine, leichte Fahrzeuge und eine stärkere kollektive Nutzung. Das bedeutet nicht zuletzt, dass Autos viel stärker als heute einfach gemietet werden, sie sind dann „intermodal“ mit den anderen Verkehrsmitteln verknüpft. Es gibt Hinweise darauf, dass sich die symbolische Bedeutung des Automobils gewandelt und das Auto seinen Nimbus des Exklusiven verloren hat. Zwar gelten – insbesondere in den aufstrebenden Mittel- und Oberschichten der Länder mit nachholender Modernisierung – Luxuskarossen und Dienstwagen vielfach noch als Prestigeobjekte, ihre Nutzer setzen nach wie vor auf demonstrativen Konsum. Aber mittlerweile hat das Auto gerade in seiner Funktion als Statussymbol Konkurrenz bekommen. Vor allem in jüngeren Generationen und in urbanen Mittelschichten der früh industrialisierten Gesellschaften hat das Auto signifikant sowohl an Symbolkraft als auch an tatsächlicher Bedeutung für die Alltagsmobilität verloren. Hier stehen vielmehr vielfältige Verkehrsoptionen, abwechslungsreiche Freizeitmöglichkeiten und mobile Gerätschaften wie Smartphones oder Laptops im Vordergrund. In den Metropolen nimmt die „intelligente Nutzung“ von Verkehrsangeboten, also die Verknüpfung aller verfügbaren Verkehrsarten aus ganz pragmatischen Motiven, und des Car- und Bikesharings deutlich zu.
Das Elektroauto als vernetztes Auto: Öffentliche Elektroautos stehen auf öffentlichen Parkplätzen und überall an den Knotenpunkten des Öffentlichen Verkehrs bereit. Digitale Carsharing-Technologie erlaubt einen einfachen Zugang mit einem Smartphone, die Autos können ohne Vorbuchung direkt genutzt und an jedem anderen freien Parkplatz wieder abgestellt werden. Ist der Ladezustand der Batterie kritisch, bleibt das Fahrzeug gesperrt, die maximale Buchungszeit ist sowieso begrenzt. So ist eine breite Verfügbarkeit gegeben. Mehr noch: In einer Welt der kompletten Versorgung durch regenerative Energien sind E-Autos Teil eines „Smart Grid“.
Die Transformation des Verkehrs wird turbulent, aber unvermeidlich. Trotz aller Konflikte und etlicher Verlierer in der Transformation hin zu einem vernetzten, postfossilen Verkehr gibt es auch eine Fülle von Chancen und eine Reihe potenzieller Gewinner. Dazu gehören neben den schonenden nicht-motorisierten Verkehrsmitteln vor allem die Dienstleister für die neuen intermodalen Angebote. Einige Branchen profitieren besonders, nämlich diejenigen, die sich von den Zwängen des fossilen Verkehrs schnell und konsequent gelöst haben oder nie in ihnen gefangen waren.
Ausführlicher: Canzler, Weert (2015): “Zukunft der Mobilität. An der Dekarbonisierung kommt niemand vorbei”. In: Aus Politik und Zeitgeschichte – Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, Jg. 65, H. 31-32, S. 19-25. https://www.bpb.de/apuz/209960/zukunft-der-mobilitaet-an-der-dekarbonisierung-kommt-niemand-vorbei?p=all
Weert Canzler