Tag 16: Beforschung des Reallabors

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Die Energieavantgarde Anhalt hat in der Region Anhalt ein Reallabor geschaffen, einen Ort, an dem wir alle ganz praktisch herausfinden können, wie gemeinsam die Energiewende gelingen kann. Aber braucht ein Labor nicht Forschende? Leute in weißen Kitteln, die messen und beobachten? Ganz so konventionell ist es in der Avantgarde natürlich nicht: wir wollen selber machen, involviert sein – und uns unsere Experten selbst suchen.

Das heißt zunächst, dass wir gemeinsam mit Forschenden nach Fragen suchen, die wir beantworten möchten – und die die Forschung beantworten kann. Wir wollen schließlich eine ganz Menge wissen:

– Welche politischen Rahmenbedingungen braucht die Energieavantgarde?
– Wie kann das Planungsrecht von Verwaltungsseite gestaltet werden, damit die Energieavantgarde gelingt?
– Wie kann man neue Stromprodukte so gestalten, dass die Bürger sich aktiv am Strommarkt beteiligen können?
– Wie transformationsfähig ist die landwirtschaftliche Struktur? Welche Flexibilitätsoptionen werden benötigt?
– Wie verhalten sich die Konvergenzmärkte Wärme und Verkehr?
– Welche technischen Hürden sind zu überwinden?

Schnell wird klar: hier bestehen einige Wissensbedarfe und viel Forschungspotenzial. Einige seiner Forschenden hat das Reallabor in der Region gefunden, an der Hochschule Anhalt und der Universität Wittenberg, einige, wie der Leibnizforschungsverbund Energiewende, das Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel  oder das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung unterstützen uns von anderswo.

Wichtig ist uns: Damit unsere Innovationen auf einer soliden wissenschaftlichen Basis stehen und andere Regionen von der Energieavantgarde Anhalt lernen können, benötigen wir Kooperationen mit ganz unterschiedlichen Forschungseinrichtungen in der Region und darüber hinaus. Ganz real, ohne weiße Kittel.

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Patricia Schulz

TAG 11: Gespräche mit dem Forschungsverbund Energiewende der Leibniz-Gemeinschaft

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Inmitten von Regen und klirrender Kälte fand gestern ein spannender Austausch der Energieavantgarde Anhalt mit dem Leibniz-Forschungsverbund Energiewende auf Ferropolis statt.

Auftakt des Treffens bildete eine Führung durch das Ferropolis Museum. Ausgestattet mit Regenschirmen und dicken Jacken begab sich die bunte Gruppe von Wissenschaftlern und Energieavantgardisten auf eine kurze Reise durch den ehemaligen Tagebau Golpa-Nord.

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Der Panorama-Ausblick über den See Richtung Gräfenhainichen war zwar aufgrund der dichten Nebelschwaden leicht getrübt, der Einblick in die Europäische Industriekultur jedoch keineswegs. Nach einer gemeinsamen Besteigung eines der imposanen Tagebau-Kolosse und der ein oder anderen Rutschpartie über das Gelände, zog sich das Ensemble in die Ferropolis-Orangerie zurück und startete bei einem heißen Tee und einer leckeren Kartoffel-Suppe den Austausch zur dezentralen, regionalen Energiewende.

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Es wurden viele interessante Forschungsansätze zum Reallabor gesammelt und diskutiert.

  • Mit den raumwissenschaftlichen und den agrarwissenschaftlichen Instituten wurde über die integration von Biomasse in ein regionales Energiesystem gesprochen,
  • mit den Sozialwissenschaftlern über neue Prosumemtenkulturen und
  • mit den Wirtschaftswissenschaftlern über neue Geschäftsmodelle der regionalen Energiewirtschaft.

Zu Gast waren: das Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DEW Berlin), das Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam (ATB Potsdam), das Institut für Länderkunde Leipzig (IFL Leipzig) und Wissenschaftszentrum Berlin (WZB Berlin).

Die Energieavantgarde Anhalt e.V. freut sich über die produktiven Gespräche mit dem Forschungsverbund Energiewende der Leibniz-Gemeinschaft. Das Reallabor der Energieavantgarde kann mit Hilfe der hoch anerkannten wissenschaftlichen Institute in diesem Forschungsverbund viele Fragen zur regionalen Energiewende qualifiziert beantworten.

https://www.facebook.com/LeibnizGemeinschaft

https://www.facebook.com/Energieavantgarde-1502339363416747/

TAG 3: Bildung und Vermittlung

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Energieavantgarde Anhalt sieht eine wachsende Energiekompetenz als Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende. Die technisch-physikalischen Möglichkeiten der Dezentralisierung auf Basis regenerativer Energieträger schaffen zugleich eine Vervielfachung der Verantwortungen und Verantwortlichen: Wer hält ein dezentrales Energiesystem der Zukunft noch zusammen? Ist jeder seines eigenen Hauses Versorger? Gehen wir zum Nachbarn, eine kWh Energie leihen? Welche Bedeutung haben zukünftig die Netze, technisch und sozial?

Ohne die Stärkung regionaler Lernprozesse, die Energiebildung, wird die Energiewende nicht gelingen. Doch wie gelingt Transformation aus Sicht der Bildungsforschung? Prof. Dr. Peer Pasternack, Leiter des Instituts für Hochschulforschung der Martin-Luther-Universität in Wittenberg, betont die Bedeutung der “Anreize”. “Anreize setzen” sei die Voraussetzung für Bildungserfolge und Kompetenzzuwachs. Doch welche Anreize bestehen zur Kooperation in einer Energieregion?

  1. Fehlende oder überschüssige Ressourcen ausgleichen, also Kooperationen durch physikalisch-technischen Lastausgleich.
  2. Vernetzungen sichern und stärken, also Netzwerke nicht nur als Netz aus Anschlüssen, sondern auch als Netz der Prosumenten mit jeweils eigenverantwortlichem Handeln und eigenen Werten verstehen.
  3. Ökonomische Anreize: welche Wertschöpfungsvorteile (das sind nicht allein Kostenvorteile) bietet ein regionales Energiesystem?

Um das Handlungsfeld Bildung und Vermittlung des Reallabors Energieavantgarde Anhalt zu stärken, streben wir die enge Kooperation mit allen Bildungsträgern, Bildungsforschern und Bildungsnutzern von der Schule über die berufsbegleitende Bildung bis zu Hochschulen und Forschungseinrichtungen an. Erste Gespräche mit der Hochschule Anhalt, dem Institut für Hochschulforschung, dem Wittenberg Zentrum für Globale Ethik und einigen Schulen in der Region haben bereits stattgefunden. Wir freuen uns über viele weitere Vorschläge und Kooperationspartner mit “lebenslanger Lern-Energie”.

Thies Schröder

TAG 2: Prozesse sichtbar machen

Gibt es einen Unterschied zwischen “dezentral” und “regional”? Oder zwischen “dezentral” und “autark”? Ist ein regionales Energiesystem dasselbe wie ein einzelner Bilanzkreis? Kann es einen regionalen Bilanzkreis geben? Und können sich die Mitglieder des Vereins, dieses “Interessenverbandes unterschiedlicher Interessen”, auf einige wenige Grundlagen zur Zukunft der Energieumwandlung, zum “Gemeinschaftswerk Energiewende” einigen? Dekarbonisiert? Subventionsfrei? oder subventionsreduziert? Vernetzt? Dezentral? Bis wann?

Wenn die Energieavantgarde Anhalt debattiert, ist die Vielfalt der Positionen und Argumente sicher. Zugleich wurde auf der 2. Mitgliederversammlung des Vereins Energieavantgarde Anhalt die “Bereitschaft zum Zuhören” gelobt.

Tatsächlich ist es durchaus komplex, wenn die verschiedenen Mitglieder ihre Ideen von den Energiesystemen der Zukunft erläutern. Aber: es wird nachgefragt. Und das ist wohl schon eine wesentliche Grundlage: Entscheidungen über weitere Schritte in ein Energiesystem der Zukunft, zumal ein regional ausgestaltetes, sollten auf der Basis umfangreichen Wissens und vor allem umfassenden Verstehens erfolgen. Daher wird die Energieavantgarde neben projektbezogenen Arbeitsgruppen auch die Arbeit in Themengruppen vertiefen – und mindestens einmal jährlich in einer großen Werkstatt (wie schon  in 2014 auf Gut Siggen und im Sommer 2015 in Lubast) die unterschiedlichen Fäden und Pfade wieder verknüpfen, in kritischem Diskurs aller Mitglieder und Interessierten.

Die Versammlung der Mitglieder der Energieavantgarde Anhalt hat am 6.10.15 erneut bestätigt: die drei Handlungsfelder im Reallabor, nämlich die Entwicklung eines regionalen Energiesystems, die Integration und Beförderung von Innovationen sowie Bildung und die Vermittlung dieses Themas, die Förderung von Energiekompetenz einzelner BürgerInnen UnternehmerInnen PolitikerInnen und vieler weiterer, sind die Säulen des Gemeinschaftswerks der Energiewende im Reallabor Anhalt, der regionalen Organisation der dezentral(er) strukturierten Energiewelt von morgen.

Thies Schröder

TAG 1: Anhalt als Transformationsbühne für eine regionale Energiewende

Anhalt als Transformationsschauplatz einer regionalen Energiewende

Wenn man auf der Landkarte die äußeren Endpunkte der Europäischen Union von Nord nach Süd und Ost nach West verbindet, kreuzen sich die Linien in der Nähe der mittleren Elbe – etwa 100 Kilometer südlich von Berlin. Dort liegen die Städte Dessau und Wittenberg in einer dichten Kulturlandschaft, in der – und das ist weltweit einzigartig – vier UNESCO-Welterbestätten genutzt werden:

  • Bauhaus Dessau
  • Dessau-Wörlitzer Gartenreich
  • Reformationsstätten Wittenberg und
  • Biosphärenreservat Mittelelbe

Vier Ideenschmieden für Veränderungen und Erneuerungen der Zivilisation konzentriert in einer Region.

Auch wesentliche technische Entwicklungen gingen von dieser Region aus, so der Automobilbau (in Dessau stand die Wiege von Opel), die Energiewirtschaft (Deutsche Continental Gasgesellschaft), der Flugzeugbau (Junkers). Dieses Erbe erweist sich als Reservoir gegenwartstauglicher und zukunftsfähiger Konzepte. Das Bauhaus brachte mehr als nur die Innovation der Kunst, das Gartenreich der Aufklärung gab Impulse für Bildung und wirtschaftliche Entwicklung, Luthers Reform der Theologie mündete in vielfältige gesellschaftliche Reformen und das Prinzip der Biosphärenreservate geht weit über Naturschutz hinaus. Und die Region belegte mit Rathenau und Junkers – stellvertretend für Ingenieure, Wissenschaftler und Wirtschaftslenker genannt – im Ranking der fossilen industriellen Revolution einen der obersten Plätze: Das weltgrößte Kohlekraftwerk 1915, das erste Ganzmetallflugzeug 1919, die Agfa-Farbfilme der 1930er Jahre sind nur einige Beispiele.

Als 2001 in Thalheim die ersten Solarzellen vom Band liefen, sprach man über Solar Valley und einen erneuten Aufbruch. Er war nicht voraussetzungslos: Gut ausgebildete Chemiearbeiter mit Kenntnissen in Beschichtungstechnologie waren genauso eine Erfolgsbedingung wie – wiederholt in dieser Region – die zugereisten Ingenieure. Aber dieser Aufbruch begann schon früher: Als im Bauhaus Dessau im November 1989 in einem Gropius-Seminar Raumwissenschaftler die Zukunft planten, während die Mauer fiel, als 1991 die Hochschule Anhalt gegründet wurde, als 1994 der erste Windpark mit Umweltverträglichkeitsprüfung auf der Hochkippe eines ausgekohlten Tagebaus errichtet wurde, als zwischen 1996 und 2000 in Dessau Rotorblätter für Windkraftanlagen gebaut und in Zörbig ab 2000 verschiedene Technologien der Bioenergiegewinnung entwickelt wurden. Auch für die Standortwahl des Umweltbundesamtes in Dessau spielte der Kontrast aus ökologischer Krisenregion und Aufbruch in das postfossile Zeitalter eine Rolle.

Vor diesem Hintergrund führte der Impuls der Stiftung Bauhaus Dessau und der Ferropolis GmbH, die Vorreiter einer postfossilen Energieversorgung in der Region zu suchen und zu entwickeln, ihre Kräfte für eine regionale Wertschöpfung und kulturelle Identität der Region zu nutzen sowie die Bildungs- und Gestaltungsfragen dieser Transformation zu bearbeiten, schnell zur Entfaltung der regionalen Initiative Energieavantgarde Anhalt.

Die Energieavantgarde Anhalt ist eine Standort- und Innovationsoffensive, die mit Hilfe eines Reallabors die Regionalisierung der Energiewende dezentral, vernetzt und gemeinsam vorantreiben möchte. Ein weiteres innovatives, mutiges Vorhaben, welches sich in die lange Tradition der Region als Vorreiter und Transformationszentrum einreihen und einmal mehr Avantgarde sein soll.

Was halten Sie von der Wahl der Planungsregion Anhalt-Bitterfeld-Wittenberg als Schauplatz für unser Reallabor? Welche Erwartungen haben Sie an eine regionale Energiewende?